Finanzialisierung, nicht technologischer Wandel, scheint ein Haupttreiber der Einkommensungleichheit zu sein

  • Von Xhulia Likaj
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In der anhaltenden Debatte darüber, was die Einkommensungleichheit antreibt, stellt eine neue Studie die gängige Meinung infrage, indem sie den Fokus von technologischer Innovation auf Finanzialisierung als größeren Einfluss auf die wachsende wirtschaftliche Kluft verlagert.

Jahrelang haben Ökonomen und politische Entscheidungsträger Innovation – insbesondere in technologieintensiven Sektoren – als Hauptursache für Ungleichheit betrachtet. Die Logik dahinter ist klar: Innovation schafft Monopole, belohnt Erfinder überproportional und benachteiligt geringqualifizierte Arbeitskräfte. Doch Juneyoung Lee und Keun Lee, die Autoren einer aktuellen Studie, widersprechen dieser Sichtweise – und distanzieren sich damit deutlich von den Schlussfolgerungen des französischen Ökonomen Philippe Aghion.

Ihre Forschung zeigt, dass Innovation – entgegen der landläufigen Meinung – die Einkommensungleichheit nicht signifikant erhöht. Stattdessen fördert sie häufig Kapitalinvestitionen, die eine ausgleichende Wirkung auf die Wirtschaft haben können. Wenn Unternehmen Innovationen vorantreiben, investieren sie typischerweise in Ausrüstung, Infrastruktur und die Entwicklung ihrer Arbeitskräfte. Im Gegensatz dazu erweist sich die Finanzialisierung – also die zunehmende Dominanz finanzieller Motive, Märkte und Institutionen – als direkter und besorgniserregender Treiber der Ungleichheit. Da Volkswirtschaften zunehmend von spekulativen Investitionen und kurzfristigen Gewinnstrategien geprägt sind, konzentriert sich der Wohlstand in den Händen derjenigen, die über Finanzvermögen verfügen – vor allem bei den Spitzenverdienern – während die Mittelschicht zunehmend ins Hintertreffen gerät.

Diese veränderte Sichtweise hat weitreichende politische Implikationen. Wenn Innovation nicht der Hauptschuldige ist, könnte ihre Überregulierung kontraproduktiv sein. Stattdessen sollten Regierungen Innovation gezielt für inklusives Wachstum nutzen. Das bedeutet, kleine und mittlere Unternehmen zu fördern, den Zugang zu Kapital zu erweitern und in Bildung und Qualifikationen zu investieren, damit mehr Menschen an der Innovationswirtschaft teilhaben können. Gleichzeitig fordert die Studie eine genauere Betrachtung der Finanzmärkte. Maßnahmen zur Eindämmung übermäßiger Spekulation, zur Förderung langfristiger Investitionen und zur fairen Besteuerung finanzieller Gewinne könnten effektiver zur Bekämpfung der Ungleichheit beitragen als innovationsbezogene Eingriffe. Innovation kann – gepaart mit durchdachten Investitionen und inklusiven politischen Maßnahmen – eine positive Kraft sein. Doch eine unkontrollierte Finanzialisierung könnte der wahre Treiber der wachsenden sozialen Spaltung sein.