Deutschlands Milliardäre: Leise Macht hinter wachsendem Vermögen
- Von Xhulia Likaj
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Deutschland beherbergt derzeit 184 Milliardäre – so viele wie nie zuvor – und ihr Vermögen wächst schneller als in jedem anderen europäischen Land. Gemeinsam kontrollieren sie ein geschätztes Vermögen von 703 Milliarden US-Dollar (etwa 603 Milliarden Euro) – mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt Österreichs und ein Drittel mehr als die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung zusammen.
Laut exklusiven Daten des Analyseunternehmens Altrata liegt Deutschland nun weltweit auf Platz drei bei der Anzahl der Milliardäre – hinter den USA und China. In den letzten zehn Jahren ist ihre Zahl um 54 Personen gestiegen, im Durchschnitt also fünf neue Milliardäre pro Jahr. Im Gegensatz zu früheren Bemühungen wie den SOEP-Umfragen oder den Reichenlisten des Manager Magazins – die oft unter begrenzter Teilnahme leiden – bietet dieser jüngste Versuch ein vollständigeres Bild, indem er nicht nur Unternehmensbeteiligungen, sondern auch andere Vermögensarten wie Immobilien einbezieht.
Trotz ihrer wachsenden wirtschaftlichen Macht bleiben die meisten Superreichen Deutschlands weitgehend unsichtbar. Ihre Vermögen sind hinter Familiengesellschaften und Stiftungen verborgen, ihre Unternehmen oft in Privatbesitz, ihre öffentlichen Profile zurückhaltend. Im Gegensatz zur Selbstdarstellung amerikanischer Milliardäre wie Elon Musk oder Jeff Bezos pflegen deutsche Milliardäre Stille – und Steuereffizienz.
An der Spitze der Liste steht Dieter Schwarz, Gründer des Einzelhandelsimperiums Lidl und Kaufland, dessen Vermögen sich seit 2020 auf über 40 Milliarden Euro verdoppelt hat. Es folgen der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, der Industrielle Reinhold Würth sowie die BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt. Klatten ist mit rund 33 Milliarden Euro die reichste Frau Deutschlands.
Der typische deutsche Milliardär ist männlich, über 60 Jahre alt und stammt aus Westdeutschland. Nur etwa 22 Prozent sind Frauen, und lediglich elf sind unter 40 Jahre alt. Der jüngste, Kevin Lehmann, erbte sein Vermögen aus der Drogeriekette dm bereits im Alter von 14 Jahren.
Für die meisten ist Reichtum eine Familiensache: Nur 18 Prozent haben ihr Vermögen vollständig selbst aufgebaut. Die Mehrheit verdankt ihren Status Erbschaften oder einer Mischung aus vererbtem und unternehmerischem Vermögen. Viele stehen an der Spitze traditionsreicher Familienunternehmen – von Bosch bis Aldi – die vom exportorientierten industriellen Fundament Deutschlands profitiert haben. Um einen tieferen Einblick in ihren Einfluss auf die Vermögensverteilung zu erhalten, finden Sie hier die Studie des Forums zur Rolle von Familienunternehmen.
Ökonomen sagen, dass der Anstieg des Milliardärsvermögens den Erfolg der familiengeführten Mittelstandsunternehmen widerspiegelt, die von Globalisierung und steigenden Unternehmenswerten profitiert haben. Gleichzeitig verdeutlicht er aber auch die zunehmende Ungleichheit im Land. „Informationen über die Reichsten sind entscheidend, um das wahre Ausmaß der Vermögenskonzentration zu verstehen“, sagt die Ökonomin Franziska Disslbacher. Mit dem wachsenden politischen Einfluss des Vermögens könnte die Macht der stillen Milliardäre Deutschlands weit größer sein, als es scheint – auch wenn die meisten Bürger niemals ihre Namen hören werden.
